Montag, 21. September 2009

Sarah Mayberry: She's Got It Bad oder: Mit dem Kopf nach unten hängen ist wohl doch nicht so gesund

Diesmal habe ich ein Buch von einer australischen Schriftstellerin gelesen. Es ist ein Harlequin Blaze und unterscheidet sich nicht wesentlich von den amerikanischen Exemplaren dieser Reihe, außer daß da und dort mal jemand mit den Worten "G'day, mate" begrüßt wird. Es kommen auch weder Känguruhs noch Koalabären vor. Und jetzt eine W A R N U N G: diese Buchrezension hat vielleicht hier und da einen kleinen Spoiler. Wer sich von diesem Buch lieber unvorbereitet treffen läßt, guckt jetzt am besten ganz schnell weg. Eine zweite, dritte und vierte Meinung - genauer gesagt ist ja eigentlich meine Meinung die vierte - ohne Spoiler gibt es bei AAR, Bücher über alles und bei Books and Games. Alle anderen können sich eine Tasse Kaffee holen und sich freuen, daß ich schon mal dieses Buch durchlitten habe und daher weise Warnungen für alle Unverzagten aussprechen kann, die es trotzdem noch lesen wollen.

Als Zoe Ford ein Teenager war, nahmen ihre Eltern Liam Masters nach dem Tod seiner Mutter bei sich auf. Zoe verliebte sich bis über beide Ohren in ihn (da war sie 15 und er 17) und er sich in sie, doch weil er fand, er sei nicht gut genug für sie, verließ er Zoes Elternhaus überstürzt. 12 Jahre später treffen sie sich wieder: Zoe arbeitet als Tätowiererin und Rocksängerin, und Liam hat eine florierende Firma, die Motorräder herstellt. Schnell kommt Liam zu dem Schluß, daß so ein Leben für eine anständige junge Frau unangemessen ist, und gibt sein bestes, um Zoe zu helfen.

Ich fange mal mit etwas positivem an: ich mag Sarah Mayberrys Schreibstil wirklich, sowohl die Art, wie sie die Personen charakterisiert (damit meine ich aber ausdrücklich nicht, daß ich die Personen sympathisch finde), als auch wie sie die Handlung beschreibt. Wenn sie es mal schafft, sich ein paar bessere Charaktere und eine gute Handlung auszudenken, könnte dabei ein richtig gutes Buch herauskommen.

Und jetzt zu den negativen Aspekten des Buches - also zu allem anderen.

Liam, der Held, ist ein Riesen-Ar....mleuchter. Genau das, was die Amerikaner als "knuckledragger" bezeichnen: ein Rückfall in die Zeit der Neandertaler, dem quasi die überlangen Arme über den Boden schleifen, wenn er sie nicht gerade benutzt, um kreischende, unwillige Frauen in seine Höhle zu schleppen. Übrigens hat Liam tatsächlich außerordentlich lange Arme, und das erfahren wir schon auf Seite 25. Da entdeckt er nämlich auf einer Kunstausstellung ein Aktbild von Zoe. Oh no! Kreisch! Eine nackte Frau! Wo doch jeder weiß, daß Aktmalerei nichts weiter ist als eine Vorstufe der Prostitution! Da muß unser Liam natürlich sofort eingreifen, und er verliert keine Zeit, bevor er das Bild packt, von der Wand nimmt und es mit der unbemalten Seite zum Betrachter an die Wand lehnt. Das interessante an dieser Szene - abgesehen davon, daß sie eindrucksvoll zeigt, daß Liam ein bigotter Idiot ist - ist die Tatsache, daß dieses Bild 8 x 10 Fuß (= 2,4384 x 3,048 Meter) groß ist. Nun entspricht der Abstand von einer Hand zur anderen bei waagerecht ausgestreckten Armen bei einem normal proportionierten Menschen seiner Körperhöhe. Ich habe das extra gerade mal ausprobiert und bei mir stimmt es: genau 162,5 cm. Wenn also Liam das Bild problemlos und ohne Hilfe von der Wand nehmen kann, ist er entweder über 2,40 m groß, oder seine Arme schleifen beim Gehen hinter ihm her.

Aber weiter im Text: unser tüchtiger Liam findet heraus, wo Zoe arbeitet und verklickert ihr direkt, daß mit ihr etwas nicht stimmen kann, wenn sie sich so ganz nackelig malen läßt (pfui) und als Tätowiererin arbeitet. An dieser Stelle ist Zoe immerhin schlau genug, ihn rauszuschmeißen, aber da Liam auch als Stalker nicht ganz unbegabt ist, beschließt er, ihr nach der Arbeit nach Hause zu folgen. Dies wiederum führt dazu, daß er herausfindet, daß sie in einer schmuddeligen Kneipe als Rocksängerin auftritt. Oh mein Gott, wie grauenhaft! Ganz klar: Zoe braucht Hilfe, und die bietet Liam ihr an. Da Zoe aber eigenartigerweise darauf beharrt, keine Hilfe zu wollen, schieben sie noch schnell eine Nummer, bevor sie ihrer Wege gehen; natürlich nicht, ohne daß Liam Zoe schnell noch klarmacht, daß anständige Frauen auch kein Makeup benutzen (zu schade, daß er kein Deutsch kann, denn sonst hätte er meine Oma zitieren können: Mit Schminke und mit Puder beschmiert sich jedes Luder).

Die nächste Zeit verbringt Liam damit, Zoe zu verfolgen. Schließlich bringt er sie dazu, in seiner Motorradwerkstatt zu arbeiten - sie soll eines der Motorräder bemalen. Umgehend läßt er alle seine Angestellten wissen, daß a) er nichts von ihr will - nein, nein, sie sind nur Freunde und b) keiner von ihnen es wagen soll, Zoe anzubaggern, jedenfalls nicht, wenn er in Zukunft noch feste Nahrung zu sich nehmen will. Danach überlassen sich Zoe und Liam mehr oder weniger ihren Trieben, nicht ohne in einer Endlosschleife sich selbst und dem Leser zu versichern, daß es wirklich nichts ist außer einer heißen Affäre.

Zoe ist nämlich fest überzeugt, daß sie einem Mann nichts zu bieten hat, und Liam hat eine schlimme Kindheit gehabt.

Liam zeigt uns die noch arschlochigere Seite seiner ohnehin schon nicht gerade gewinnenden Persönlichkeit, als er Zoe zwingt (wirklich zwingt), ihm etwas zu erzählen, worüber sie nicht sprechen möchte.

Was passiert noch? Tja, er überrascht sie damit, daß er Zoes Bilder (sie malt auch) einer Galeriebesitzerin zeigt, schnallt irgendwann, daß er sich doch in sie verliebt hat, und prügelt einen Typen krankenhausreif, der sie belästigt.

Zoe kommt glücklicherweise zu dem Schluß, daß sie trotz allem ein vollwertiges menschliches Wesen ist, aber statt sich einen netten, normalen Mann zu suchen, sagt sie sich, daß auch bigotte Vollidioten Liebe brauchen, und beschließt, den Rest ihres Lebens mit Liam zu verbringen.

Und wenn sie nicht gestorben sind, dann drücken sie sich heute wahrscheinlich die Nasen an den Fensterscheiben ihres Hauses platt und passen auf, daß die Nachbarn keinen Schweinkram machen. Oder vielleicht haben sie eine Bürgerinitiative gegen das öffentliche Ausstellen von Aktbildern gegründet.

1 Kommentar:

  1. Sehr interessante Rechnung zu Liams Armlänge. Ich kann mir nicht helfen, aber "Affenarme" passen irgendwie zu diesem Gorilla! *lach*

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