Sonntag, 31. Januar 2010

Elisabeth Naughton: Stolen Fury - Vorsicht, mit Spoilern!

Dr. Lisa Maxwell ist eine Archäologin, die während eines Jamaika-Urlaubs in einer Höhle ein altgriechisches Marmorrelief mit einer Darstellung einer der drei Furien (die bei den Griechen eigentlich als Erinyen bezeichnet wurden, was Dr. Maxwell aber nicht weiter interessiert) gefunden hat. Sie hält die Entdeckung geheim und plant, die beiden dazugehörigen Reliefs der anderen Furien zu finden, doch leider wird sie wenig später während eines Aufenthalts in Mailand von einem angeblichen Professor der Universität von Barcelona erst verführt, dann mit Schlafmittel betäubt und schließlich bestohlen. Fest entschlossen, ihr Relief zurückzubekommen, macht sie den Mann, der eigentlich ein Puertoricaner namens Rafe Sullivan (!!) ist, ausfindig. Die beiden beschließen, die restlichen beiden Reliefs gemeinsam zu suchen, doch auch einige finstere Verbrecher sind dahinter her. Schon bald sind Lisa und Rafe auf der Flucht vor Mördern...

Auf dem Buchcover ist ein Zitat, in dem das Buch mit den Indiana Jones-Filmen und Auf der Jagd nach dem grünen Diamanten verglichen wird. Das ist schon mal ein ganz guter Vergleich, auch wenn er von Allison Brennan stammt, deren grottiges Buch mich ziemlich genervt hat. Stolen Fury ist wirklich ganz unterhaltsam und hat eine Menge Action. Aber die Logik fehlt. Völlig. In fast jeder Szene.

Da ist zunächst mal die Tatsache, daß Lisa das Relief nicht während einer Ausgrabung findet, sondern während eines Jamaika-Urlaubs beim Klettern in einer Höhle, wofür man offenbar eine Erlaubnis benötigt, die sie aber auch nicht hat. In der Höhle findet Lisa eine Leiche und durchsucht direkt deren Rucksack. Darin findet sie eine Schatzkarte und das Marmorrelief mit dem Abbild von Alekto, einer der Furien. Das steckt sie ein und verläßt die Höhle.

An dieser Stelle hätte ich Lisa sagen können, daß das Relief ohne Zweifel eine Fälschung ist. Sie als Archäologin hätte das wissen müssen, aber ich als Nicht-Akademikerin mußte erst im Internet nachsehen - was etwa fünf Minuten gedauert hat.

Eindeutige Anzeichen, daß das von Lisa gefundene Relief made in Korea (oder so) ist:

"The marble depicted a woman dressed in a Greek toga" (Seite 7) - Erstaunlich, da die Toga ein römisches Gewand war. Und wohl auch hauptsächlich ein von Männern getragenes.

"The number one was carved into the bottom right side" (Seite 7) - Noch erstaunlicher, denn im antiken Griechenland kannte niemand die heute von uns benutzten arabischen bzw. indischen Ziffern. Die Griechen benutzten Buchstaben als Zahlen.

Lisa nimmt ihr gefaktes Marmor-Artefakt jedenfalls mit, denn sie will natürlich die anderen beiden Furien auch noch finden. Halten wir also fest: Dr. Maxwell klaut einer Leiche bei einer illegalen Exkursion in einer jamaikanischen Höhle ein gefälschtes griechisches Marmorrelief.

Okey dokey. Wenig später hält unsere international renommierte Archäologin eine Vorlesung in Mailand. Dabei lernt sie einen Antonio-Banderas-Doppelgänger kennen, der sich als Rafael Garcia, Geschichtsprofessor an der Universität von Barcelona, vorstellt und auf dessen spanischen Akzent sie voll abfährt (man kennt das. Zumindest seit der unvergeßlichen Szene mit John Cleese und Jamie Leigh Curtis in Ein Fisch namens Wanda). Abends landen die beiden in Lisas Hotelzimmer, und Rafe betäubt Lisa, bevor er das Marmorrelief aus ihrem Hotelsafe klaut und damit das Weite sucht.

Da Lisas Bruder in Chicago als Kriminalpolizist arbeitet, macht sie den Dieb mit seiner Hilfe problemlos in Key West ausfindig und beschließt, sich die Furie von ihm zurückzuholen. An dieser Stelle ist ein kleines Dankesgebt angebracht, denn bei allen Problemen, die ich mit diesem Buch hatte, wäre es schlimmer, wenn Elisabeth Naughton nicht Schriftstellerin, sondern Modeberaterin oder Stylistin geworden wäre.

Lisa kreuzt nämlich in Key West auf und trägt: rote Haare (nun ja, dafür kann sie ja nichts), rosa Sandalen (dafür schon) und rot lackierte Zehennägel (das geht gar nicht).

Um ihre Furie zurückzubekommen, hat sie sich einen ganz raffinierten Plan überlegt: sie schmeißt Rafe ins Wasser und verlangt, daß er ihr das Teil zurückgibt. Irgendwie reagiert Rafe darauf aber nicht ganz so, wie sie es erwartet hat. Stattdessen überzeugt er Lisa, daß sie beide sich gemeinsam auf die Suche nach Tisiphone (der dritten Furie) machen sollten. Die zweite hat er auch schon irgendwo versteckt. Wenn sie sie alle haben, werden sie sie verkaufen und den Gewinn teilen. Zögernd stimmt Lisa zu.

Als nächstes holen die beiden in Chicago in Lisas Elternhaus die Notizen von Lisas verstorbenem Mentor und Liebhaber ab, in denen sie Hinweise auf die Marmorreliefs vermutet. Mittlerweile sind auch schon alle möglichen schlechten Menschen hinter Lisa und Rafe her. Es gibt eine Verfolgungsjagd mit dem Auto, bei der Rafe Lisa beim Fahren aus dem Fahrersitz hebt, weil er meint, daß eine Dame kein Auto während einer Verfolgungsjagd steuert.

Rafe ist völlig hin und weg von Lisas wundervollem Gardenienduft (*seufz* ein Mann, der verschiedene Blumendüfte unterscheiden kann) und ihren hübschen smaragdgrünen Augen, die er innerhalb weniger Seiten mit seichten grünen Teichen, felsharten Steinen, leuchtenden Teichen und schimmernden Juwelen vergleicht.

Einige Action- und Liebesszenen, Morde und Flugreisen später gelingt es Rafe innerhalb einer halben Stunde, einen Hinweis auf den Fundort von Tisiphone zu entschlüsseln, an dem sich schon Lisas Mentor jahrelang die Zähne ausgebissen hatte. Lisa ist baff. Rafe erklärt ihr, daß er die auf Französisch verfaßten Aufzeichnungen einer früheren Besitzerin des guten Stücks nur übersetzen mußte. Wow! Lisa ist geplättet - und wieder mal angeturnt. Ihr Lover spricht Französisch! Und Spanisch! Und Italienisch! Unfaßbar!! Und ich naive Person habe immer gedacht, international renommierte Archäologen, die überall auf der Welt an Ausgrabungen teilnehmen, müßten mehrere lebendige und wenigstens die gängigeren toten Sprachen wie Latein und Altgriechisch beherrschen. So kann man sich irren, denn unsere Lisa spricht nur englisch.

Tja, danach dauert es dann nicht mehr lange, bis unsere beiden Helden alles finden, was sie suchen, und gemeinsam in den Sonnenuntergang segeln.

Das hört sich jetzt alles ziemlich furchtbar an. Ich fand das Buch ja eigentlich ganz spannend und unterhaltsam, und vielleicht werde ich sogar die Fortsetzung lesen. Aber was mich wirklich sehr gestört hat, war die mangelnde Logik der Handlung und die offensichtliche Unlust der Autorin, ein klein wenig Internet-Recherche zu betreiben. Ist es wirklich zuviel verlangt, daß der Plot wenigstens ein bißchen plausibel ist? Aber es gibt Hoffnung: soweit ich weiß, ist Stolen Fury Elisabeth Naughtons Debut-Roman. Sie könnte also beim nächsten, übernächsten, oder über-übernächsten Buch alles besser machen.

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