Dienstag, 17. April 2012

Aus dem Tagebuch einer Regency-Romanheldin, Teil 14


Liebes Tagebuch,

als ich auf der Straße stand, hatte ich plötzlich kalte Füße und merkte, daß ich gar nicht wußte, wohin ich wollte! So ein dummes Versehen, hihi. Aber es war nicht so schlimm, denn schließlich bin ich ein reizendes, bezauberndes Persönchen mit entzückenden blonden Locken und strahlenden blauen Augen. Mir hilft bestimmt jeder gerne, nicht wahr? Also habe ich einfach einige Passanten gefragt, wo der Herzog von Steelyballs wohnt.

Eigenartigerweise wußte das nicht jeder; der erste Mann, den ich fragte, sah ein klein wenig ungepflegt aus und roch etwas säuerlich. Er kniff mich in mein…nun, hihi…mein Hinterteil, versuchte mir mein Retikül zu entreißen und grummelte etwas, das sich so anhörte wie "ha…hassu…hastu 'n paar Pennies für 'n armen dur…durs…durssigen Mann, Schätzchen?" So eine Unverschämtheit! Als könnte ich mein Nadelgeld dafür ausgeben, fremden durstigen Männern Getränke zu kaufen? Schließlich muß ich mir unbedingt noch diese wunderhübschen lindgrünen Spitzenbänder kaufen, die ich jüngst bei Madame Claude gesehen habe. Oh, die sehen sicherlich bezaubernd in meinen Haaren aus!

Als nächstes fragte ich eine ältere Dame, welche sehr vertrauenswürdig aussah, ob sie wisse, wo der Herzog von Steelyballs wohnt. Doch leider beschimpfte sie mich nur als freches kleines Luder und versuchte, mich mit ihrem Regenschirm zu verprügeln.

Liebes Tagebuch, wo soll die Welt nur noch hinkommen? Die Menschen sind überhaupt nicht mehr hilfsbereit!

So wanderte ich ein kleines Weilchen lang ziellos und betrübt durch die Straßen Londons, bis ich schließlich einen Zeitungsverkäufer sah. Zeitungsverkäufer wissen doch immer, was wann wo geschieht, nicht wahr? Dieser hier war ein junger Mann, vielleicht etwa so alt wie ich, und brüllte gerade lauthals: "EXTRABLATT!! SKANDAL!! REGENCYHELDIN LÄSST VERNUNFTEHE MIT MARQUIS SAUSEN, UM MIT BALLETTÄNZERIN DURCHZUBRENNEN!!" Das war in der Tat skandalös, und ich hätte die Zeitung nur zu gern gelesen. Mama und Papa mögen es aber nicht, wenn ich Zeitungen lese und, nun ja, ich finde es eigentlich sowieso zu anstrengend. Jedenfalls unterbrach ich die Rufe des Zeitungsverkäufers, um ihn nach dem Haus des Herzogs von Steelyballs zu fragen. Der junge Mann war tatsächlich sehr hilfsbereit und begleitete mich zu einer sehr hübschen Stadtvilla in Mayfair.  Nachdem ich dem Zeitungsverkäufer zum Dank eine Münze in die Hand gedrückt hatte (so ein Pech, jetzt würde ich das Geld für die Haarbänder meiner kleinen Schwester Cindy wegnehmen müssen. Oder vielleicht könnte ich einfach Bella den Lohn für diese Woche streichen), klopfte ich an der imposant aussehenden Tür.

Wenig später öffnete die Tür sich und ein distinguiert aussehender Gentleman fragte, was mein Begehr sei. Das mußte der Butler sein! Oder vielleicht der Papa vom Herzog?...Obwohl, wenn der Papa vom Herzog noch lebt, dann wäre der Herzog kein Herzog, oder? Es sei denn, er wäre der Stiefvater des Herzogs, in welchem Falle…oh nein, mit diesem Nachdenken mußte ich sofort aufhören. Ich bekomme davon immer solch arge Kopfschmerzen! Jedenfalls sagte ich, daß ich den Herzog von Steelyballs sprechen wolle. Ich gab dem Butler (der er hoffentlich tatsächlich war, und nicht der Papa, oh nein das ist aber auch so kompliziert) meine Visitenkarte und wurde tatsächlich in einen Raum geführt, den man offenbar als burgunderroten Salon mit orangenen Querstreifen und goldenen Troddeln bezeichnete. Jedenfalls deutete das Dekor darauf hin.

Ich war nervös! Konnte meine genialer Plan noch mißlingen? Aber nein, das war ausgeschlossen. Das Schicksal konnte doch niemals so grausam sein, mich zu einer Ehe mit Lord Festerwart zu zwingen?

Zum Glück dauerte es nicht lange, bis der gutaussehende Fremde, von dem ich nun wußte, daß er der Herzog von Steelyballs war, den burgunderroten Salon mit orangenen Querstreifen und goldenen Troddeln betrat. Er musterte mich voller Mißtrauen, während er noch hastig sein Hemd und etwas…anderes, wurstförmiges, fleischfarbenes in seine Hose stopfte. "Was willst du denn hier? Schickt dich dein Vater, dieser niederträchtige Dreckskerl?" herrschte er mich an. Ich fühlte mich ganz beklommen. Warum mußte es mir Freddy, denn so sollte ich ihn ja wohl nun nennen, bloß so schwer machen? Er sollte mich doch reizend und bezaubernd finden! Und warum hatte ich bloß nicht daran gedacht, mir zur Stärkung ein Fläschchen von Mamas Hustensaft mitzunehmen? "Oh…oh, nein", stammelte ich. "Es weiß niemand, daß ich hier bin! Ich…ich muß Ihnen…einen Vorschlag machen!"

Freddy lächelte, doch es war ein kühles Lächeln, das seine Augen nicht erreichte. "Eine Maitresse habe ich schon, ebenso eine Köchin und einen Kammerdiener. Du kannst sofort wieder gehen!"

"Oh nein, bitte hör mich an!" Ich blickte ihn flehentlich an und achtete dabei darauf, ein wenig mit meinen langen, wohlgeformten Wimpern zu klimpern. "Ich kann dir helfen, das Amulett der Sündigen Fanny zu finden!"

Freddy hörte auf zu lächeln. "Also gut, nehmen wir an, das könntest du tatsächlich – was würdest du dafür von mir verlangen?"

Ich schlug züchtig die Augen nieder. "Also, nun ja…du müßtest dich mit mir verloben!"

Freddy war sprachlos.

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